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Österreichs Tourismus hat keinen Zwang zum Wachstum - ÖRV-Kongress vor Ort Bericht

auf Ungarisch / magyarul

Der ÖRV-Kongress fand im Zeichen von Optimismus und nachhaltiger Transformation statt…

Vom 25. bis 26. April dieses Jahres führte der Österreichische Reiseverband (ÖRV), der die führenden Reiseveranstalter, Reisebüros und führenden Tourismusunternehmen Österreichs vereint, seine Frühjahrstagung und den darauf folgenden Kongress in Innsbruck durch. Das Motto der Konferenz, “Mit Optimismus Entscheidungen treffen”, durchzog die Dutzenden von Vorträgen in vielfältiger Weise das komplexe Thema der Nachhaltigkeit und der Branchentransformation. Die Organisatoren des Kongresses wollten auch durch die Förderung umweltfreundlicher Reisemöglichkeiten den ökologischen Fußabdruck der Veranstaltung reduzieren, da der Teilnahmebeitrag für das zweitägige Tiroler Ereignis bereits die Kosten für ein Hin- und Rückfahrtsticket der ÖBB enthielt. Am ersten Tag des Kongresses begrüßten Barbara Plattner, Leiterin des Tourismusbüros von Innsbruck, und Eva Buzzi, Präsidentin des ÖRV, die Gäste und betonten, dass Innsbruck als Vorreiter für umweltfreundliche Mobilitätslösungen jedem Gast, der mindestens 2 Nächte in der Region verbringt, eine kostenlose Stadtkarte zur Verfügung stellt, die den gesamten öffentlichen Nahverkehr in der Stadt und den umliegenden Regionen kostenlos und uneingeschränkt ermöglicht. Die “Welcome Card” Stadtkarte bietet auch eine Vielzahl anderer touristischer und kultureller Vergünstigungspakete, die den Besuchern der Tiroler Region erheblichen Mehrwert bieten. Der zweitägige Event wird im folgenden Fachbericht von GD Consulting näher beschrieben.

 

Erster Tag: 25. April 2024

Am ersten Tag des ÖRV-Kongresses war Susanne Kraus-Winkler, Staatssekretärin für Tourismus, anwesend und hielt eine Rede, in der sie betonte, dass wir eine Ära “nie dagewesener Veränderungen” erleben, die den gesamten Tourismussektor, einschließlich des Reiseveranstaltungssektors, auf eine “schonungslose Transformation” vorbereitet. In der “Ära der Gefahren” wirken sich Angst und Unsicherheit auch auf unsere Reisegewohnheiten aus: Die “sichere Welt”, in der wir uns zu Hause fühlen konnten, ist in den letzten Jahren und Monaten nicht größer, sondern leider kleiner geworden. In der “Polykrise” der Transformation können Dienstleistungen am besten durch “komplexe und professionelle” Angebote bewältigt werden, betonte die Staatssekretärin. “Für den Tourismus in Österreich besteht kein Zwang zum quantitativen Wachstum”, in Zukunft muss unsere Strategie auf die Qualität der Dienstleistungen und die Steigerung des Mehrwerts ausgerichtet sein. Hierfür wird ein umfassender Tourismusakzeptanzindex erstellt, der sowohl die Lebensqualität der Einheimischen als auch die Intensität des Besucherverkehrs konsistent modellieren kann. Darüber hinaus sind weitere Grundlagenforschung und transparente Garantien für Nachhaltigkeitsprinzipien erforderlich - erläuterte Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler die Regierungspläne.

Anschließend wies Franz Fischler, ehemaliger österreichischer Landwirtschaftsminister und EU-Kommissar, in einer Keynote-Rede auf die Notwendigkeit hin, sich in der komplexen Welt behaupten zu können. Komplexe Herausforderungen erfordern komplexe Antworten, sonst wird Europa weiterhin an geopolitischer und wirtschaftlicher Bedeutung verlieren. Europa ist “zu sehr im Wohlstand versunken”, die aktuellen Herausforderungen müssen als Chance zum Aufwachen betrachtet werden, mit guten und optimistischen Entscheidungen besteht jetzt noch die Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen - so die Botschaft von Franz Fischler an die Teilnehmer des Kongresses.

Von den zahlreichen weiteren Vorträgen des Kongresses ist besonders die Präsentation von Ambros Gasser, Gründer der Reiseveranstalter ASI Reisen und WeDesignTrips, hervorzuheben. Neben ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit wird auch die Frage der sozialen Nachhaltigkeit im Bereich des Reisens zunehmend zu einem kritischen Faktor. Anhand von Berechnungen erläuterte er, dass in den letzten Jahren der Umsatz im Reisesektor in Europa nicht durch das Wachstum der Kundenzahlen, sondern durch die Veränderung der Servicepakete, den Anstieg des Mehrwerts und die Inflation gestiegen ist. Laut Ambros Gasser werden in Zukunft nur Dienstleistungen mit hoher Komplexität und hohem Mehrwert einen stabilen Markt finden. Die Vorbereitung auf solche Anforderungen und die Umstellung von extensivem auf intensives Wachstum führten dazu, dass seine Reisebüros das globale B Corp-Zertifikat erhielten. Er ist der Ansicht, dass solche Zertifizierungen und die umfassende Erfüllung von Nachhaltigkeitsprinzipien in Zukunft einen erheblichen Wettbewerbsvorteil im Reisesektor darstellen werden. Die transparente Messung von Nachhaltigkeitsprozessen und die Darstellung des vor Ort geschaffenen Werts während des Reisens im gesamten Wertschöpfungsprozess gewinnen zunehmend an Bedeutung. Als internationale Beispiele nannte er das Reisebüro ByWay Travel, das “flugfreie” Reisen, insbesondere Zug- und Fahrradkombinationen sowie andere spezielle Reiserouten anbietet, die Agentur inGamba Tours, die Gourmettouren für Fahrradfahrer anbietet, und das Unternehmen Indigourlaub, das Spa- und Yoga-Erlebnisse auf einzigartige Weise kombiniert.

Am Nachmittag des ersten Kongresstages stieß der Vortrag von Professor Walter Feichtinger, Militärexperte und ehemaliger nationaler Sicherheitsberater der österreichischen Regierung, auf großes Interesse. Er analysierte die Auswirkungen aktueller und erwarteter geopolitischer Konfliktsituationen auf die Sicherheit weltweit und auf Reisen. In seiner Präsentation identifizierte er sechs globale Konfliktzonen wie folgt: 1.) Südchinesisches Meer und Taiwan; 2.) Arktis, durch die Seewege fließt mittlerweile 10-15 Prozent des Welthandels und alle Großmächte versuchen, die Kontrolle über die Durchfahrten mit U-Booten zu gewährleisten; 3.) Kuba und die Karibikregion sowie Südamerika, die bereits integraler Bestandteil des chinesischen Seidenstraßenprojekts sind, mit zunehmendem chinesischen Einfluss; 4.) Afrika: die von ständigen Umstürzen betroffene Sahelzone; 5.) Der ukrainisch-russische Krieg und 6.) der Nahe Osten: der Konflikt zwischen Hamas und Israel. Er empfahl, in den letzten drei genannten Konfliktzonen in naher Zukunft keine organisierten Reisen zu starten, während in den anderen Regionen die offenen oder verdeckten Konfliktsituationen für den Tourismus keine akute Bedrohung darstellen. In Bezug auf Israel und den Iran erwartet er keine weitere Eskalation, da beide Mächte bereits gezeigt haben, "was sie können", aber ohne eine Lösung für die palästinensische Situation wird es keinen Frieden in der Region geben. Ein Hoffnungsschimmer könnte sein, wenn der Geist des Abkommens von Abraham in naher Zukunft wiederbelebt wird. In den Randgebieten Europas, Nordafrika, könnte eine mögliche neue Welle des arabischen Frühlings sowie das enorme Bevölkerungs- und wirtschaftliche Problem Ägyptens in den nächsten Jahrzehnten potenzielle Gefahren darstellen. Aufgrund der Situation in der Ukraine rüstet sich Russland zunehmend für einen hybriden Krieg, der sich auch auf den Cyber-Raum ausweiten könnte. Der Einfluss Europas auf China, die USA und die aufstrebenden Mächte (Indien, Saudi-Arabien, Türkei) nimmt stetig ab, daher gibt es hier viel zu tun.

Der letzte Vortrag des zweiten Tages wurde von Astrid Steharning-Staudinger, der seit fast einem Jahr amtierenden Geschäftsführerin von Österreich Werbung (ÖW), gehalten. In ihrer Präsentation stellte sie die Projekte zur digitalen Innovation und Nachhaltigkeit vor, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurden. Eine umfassende Präsentation dieser Projekte wird am 22. Mai auf dem Wiener Fachtag stattfinden, bei dem die Plattform changetourismaustria.com vorgestellt wird. Es wurde auch das neue touristische Branding Österreichs vorgestellt, das sich auf erlebnisorientierte Kommunikation anstelle von produkt- und regionsbezogener Kommunikation konzentriert, wobei der österreichische Lebensstil und das “Lebensgefühl” im Mittelpunkt stehen. Es wurde erwähnt, dass das Kampagnenbudget von ÖW im Vergleich zu den Vorjahren geschrumpft ist, und zur Kompensation wird die Stärkung der PR-Aktivitäten und der Storytelling-Promotion zur Vermittlung des Lebensgefühls angestrebt. In diesem Bereich gibt es bereits konkrete Ergebnisse mit erheblicher Medienreichweite (z. B. ChatSkiPT, EKF-Kampagne während der Biennale in Venedig). Österreich Werbung ist derzeit in 27 Schlüssel- und 7 aufstrebenden Märkten tätig und definiert sich als führendes Informations- und Servicezentrum der Tourismusbranche. Tourismus sollte von Gefühlen, Wünschen und bleibenden Erinnerungen handeln, daher zielt ÖW in seinen Marketingaktivitäten und beim Aufbau von Gemeinschaften darauf ab, diese grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen.

 

Zweiter Tag: 26. April 2024

Ein Höhepunkt des zweiten Kongresstages war der Vortrag von Thomas Ellerbek, dem Nachhaltigkeitsdirektor (CSO) des Reisekonzerns TUI und Vorstandsmitglied des Deutschen Reiseverbands (DRV). Seiner Argumentation zufolge ist optimal organisiertes Tourismus nicht die Ursache, sondern die Lösung des Phänomens des “Overtourism”. Die Mitarbeiter von TUI betrachten sich als Teil der “Lösung und nicht des Problems” und haben sich zum Ziel gesetzt, das Dreifachziel der Nachhaltigkeit gemäß dem Geist des Brundtland-Berichts zu verbreiten und Lösungsvorschläge und bewährte Praktiken in den von ihnen verkauften Empfangsbereichen umzusetzen. Die kürzlich auf den Kanarischen Inseln stattgefundenen Proteste wurden nicht als Protest gegen den Tourismus, sondern als Protest gegen die lokale Tourismuspolitik interpretiert. Anhand statistischer Daten argumentierte er, dass in Regionen, in denen der Tourismus erfolgreich und optimal ist, sowohl die Lebensqualität der Einheimischen als auch die soziale Kohäsion verbessert werden. Während andere die Frage der Nachhaltigkeit als Bedrohung betrachten, betrachten sie bei TUI dies als Chance, eine Chance, die sie durch konkrete Projekte und bewährte Geschäftspraktiken umsetzen. Er argumentierte weiterhin, dass Nachhaltigkeitsprojekte auf wissenschaftlich fundierten und transparenten Fakten beruhen sollten, daher hat TUI ihren Aktionsplan entlang der SBT-Zertifizierung (science based targets) ausgearbeitet. Laut dem Bericht des TUI-Konzerns tragen ihre derzeitigen Geschäftstätigkeiten in folgendem Umfang zur Treibhausgasemission bei: Büroverwaltung (0,2 %); TUI-Hotels (11 %); TUI-Kreuzfahrten (13 %); TUI Airlines (59 %) und lokaler Transport (0,2 %). Die Verpflichtungen von TUI sehen vor, dass sie bis 2030 die Treibhausgasemissionen in ihren Hotels um die Hälfte, auf Kreuzfahrten um 28 % und im Luftverkehr um 24 % reduzieren werden, um bis 2050 eine vollständige Umweltbilanz des Unternehmens zu erreichen. Ellerbeck wies in seinem Vortrag auch darauf hin, dass der Weg zur Erlangung des SBT-Zertifikats zwei Jahre gedauert hat, in denen durch die Analyse von Daten viele Grauzonen und blinde Flecken aufgedeckt wurden, von denen sie zuvor nichts wussten, sodass Effizienzsteigerungen und Umstrukturierungen auf diesen Gebieten zu erheblichen Einsparungen führten, sowohl in Bezug auf Arbeitskräfte als auch auf die Vermeidung von Treibhausgasemissionen.

Ein ähnlicher, jedoch stärker auf die objektive Messung der Nachhaltigkeit ausgerichteter Vortrag wurde von Andreas Miedaner, dem Geschäftsführer von SDI Rating, gehalten, der die Aufgaben im Zusammenhang mit der bald in Kraft tretenden ESG-Berichterstattungspflicht vorstellte. Sein Beratungsunternehmen führt maßgeschneiderte ESG-Bewertungen für Hotels durch, auf deren Grundlage sie auch Benchmarkwerte für die Branche entwickeln. Als Beispiel für den Benchmark wurde erwähnt, dass in einem durchschnittlichen mittelklasse Stadthotel beispielsweise eine Nacht mit 6,4 kg CO2-Emissionen und einem Energieverbrauch von 18,7 KWh einhergeht… Die Vorträge des zweiten Kongresstages wurden von Präsentationen zu den neuesten digitalen und Marketingtrends abgeschlossen.

Anne-Liese Prem, eine digitale Zukunftsforscherin, erklärte, dass KI innerhalb eines Jahrzehnts ein unverzichtbarer Bestandteil der Reiseplanung sein wird, den Reisende in ihrem täglichen Leben 75 Tage lang nutzen werden. Um dem im Tourismus auftretenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, bieten sich immer mehr virtuelle Lösungen an, wie z. B. virtuelle Rezeptionisten oder virtuelle Flugbegleiter, die bereits bei Qatar Airways eingesetzt werden. In Zukunft werden AR- und Gaming-Lösungen gleichermaßen die Werbung dominieren, und bei Hotelketten hat die Hilton-Gruppe in der Roblox-Spielplattform sehr innovative Verfahren entwickelt. In Anlehnung an das Motto des Kongresses erfuhr das Publikum aus dem Vortrag von Tanja Sourek, einer Werbeexpertin, dass die führenden Marken der Welt allesamt optimistische Marken sind, und in den Markenbotschaften ist das Versprechen von Optimismus und Zukunftsorientierung in jedem Fall erkennbar.

Am Ende der zweitägigen Tiroler Konferenz wurde angekündigt, dass der in Vereinsform organisierte ÖRV-Kongress in diesem Herbst vom 22. bis 26. Oktober in Porto, Portugal, stattfinden wird. Das Programm des diesjährigen Frühjahrstreffens und Kongresses sowie die Liste der Referenten sind hier abrufbar, von wo aus bald die meisten der oben vorgestellten Präsentationen heruntergeladen werden können. Weitere detaillierte Berichte über die beiden Konferenztage auf Deutsch finden Sie hier und hier. Fotos sind hier zu finden.

Fotos und Zusammenfassung: ©Kovács Balázs / GD Consulting

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